Komm in Bewegung, sei lebendig!
- Sophie Gerig
- 27. Sept. 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juni 2021
Kurz nachdem ich meinen letzten Beitrag über die Organuhr geschrieben hatte, zeigte mit eine Freundin einen Tagesablauf nach dem ayurvedischen Prinzip. Dort wechseln sich im Vierstundentakt Vata-, Pitta- und Kapha-Perioden mit ihren spezifischen Eigenschaften ab. Teilweise widersprechen sich die Empfehlungen einer gesunden Lebensführung aus der Organuhr und dem ayurvedischen Tagesablauf. So empfiehlt es sich nach der Organuhr bereits morgens eine üppige Mahlzeit zu sich zu nehmen, da der Magen dann mit er größten Menge an Energie versorgt würde. Im Ayurvedischen ist die Empfehlung Mittags die größte Portion zu essen, da zu dieser Zeit das Verdauungsfeuer am stärksten sei...
Ich war verwirrt. Hatte ich doch eben ein altes und erprobtes System entdeckt, von dem ich meinte, dass es meine Gesundheit und mein Wohlbefinden unterstützte, um im nächsten Moment eine sich teilweise widersprechende Lebensweise präsentiert zu bekommen, die mir logisch genauso einleuchtete. Erst überlegte ich, meinen alten Artikel zu löschen. Doch heute beim Spazieren bin ich zu einem anderen Entschluss gekommen.
Außer diesen beiden Systemen kennen wir alle noch tausend weitere Gesundheitsempfehlungen und Lebensweisen, die uns zu einem langen Leben, gesundem Körper, klarer Psyche oder sonst etwas führen sollen, was wir uns ersehnen oder erhalten wollen. Mir kam ein Satz meines Vaters in den Sinn, den er irgendwo gelesen hatte: "Man soll am besten ein Mal am Tag richtig frieren und ein Mal am Tag richtig schwitzen!". Das wäre dann gut für den Körper und würde das Immunsystem stärken.
Als ich das so in meinem Kopf widerhallen hörte, kam in mir eine Frage auf. All diese Empfehlungen, schön und gut... Doch geht es vielleicht im tieferen Sinn darum: Was hält uns in Bewegung, was lässt uns uns lebendig fühlen?
Denn Wasser, dass sich nicht mehr bewegt und keinen Zulauf von frischem Wasser hat, wird abgestanden und allerhand Bakterien und Ablagerungen sammeln sich in ihm. Ein See ohne Wasserzufuhr durch einen Fluss oder Regen verwandelt sich erst in einen dunklen Tümpel, wird dann zum Moor und verlandet letztlich. Unser Körper besteht zu 70-80% aus Wasser.
Ich merke, wenn ich immer die gleichen Dinge tun, mich in den gleichen alten Strukturen bewegen, immer die selben Menschen treffen, immer wieder dem altbekanntem (Verhaltens-)Muster folgen wird mein Leben schal und abgestanden. Es fehlt die Frische, die Lebendigkeit. Wenn ich dann mit mir ehrlich bin, spüre ich das etwas nicht stimmt, dass ich unterbewusst nach "irgendetwas" suchen, was ich nicht benennen kann.
So kann auch Sport, Ernährung und Co. zu einem starren Konstrukt werden. "Ich essen nicht mehr nach 18h, das ist ungesund!", "Ich jogge mindestens 3x die Woche 40 Minuten, sonst verbessert man sich ja nicht!", usw. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich mich gebethaft an Empfehlungen halte, die ich gerade neu entdeckt habe und für die ultimative Wahrheit halte. Da geht mir der ganze Spaß an der Sache verloren. Es fühlt sich eng und starr an.
Es gibt einige, die strikt bestimmte Diäten oder Sportprogramme verfolgen ohne die erhofften Ergebnisse zu erzielen oder sich gesünder oder zufriedener zu fühlen. Oder das Ganze wird frustriert abgebrochen, bevor sich Ergebnisse einstellen können.
Andere Menschen wiederum entdecken eine Sportart, Meditations- oder Atemtechnik durch Zufall und führen diese ohne Mühe ab sofort jeden Tag aus und empfinden es als enorme Lebensbereicherung.
Auch wenn wir alle einen biologischen Körper haben und unsere Psyche ähnlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, sind wir doch Individuen. Ich hab gelernt: Wenn ich versuchen einfach nur nachzuahmen, was ein anderer vor mir getan und für gut befunden hat (egal, ob Familienmitglieder, Ärzte oder andere "Experten"), muss ich immer noch für mich selber klären, ob und wie es mir nützt.
Ich bin es so gewöhnt, von anderen gesagt zu bekommen, was für den Körper gut sei, was die Psyche gesund erhalte oder zu einem ausgeglicheneren Leben führe. Ich habe als Kind nicht gelernt, tatsächlich in mein Inneres zu spüren, ob mir etwas gut tut oder nicht.
Es gibt sicher jemanden, der es zelebriert jeden Tag mehrere Kilometer zu joggen und nach 18h nichts mehr zu essen. Für jemand anderen wäre das vielleicht eine einzige Quälerei und er genießt es stattdessen jeden Abend spät mit seinen Freunden zu kochen und tanzen zu gehen. Deshalb habe ich auch den Artikel über die Organuhr nicht gelöscht. Vielleicht dient er dem ein oder anderen eben als Inspiration mal etwas Neues auszuprobieren - vor dem Hintergrund wirklich nachzuspüren, ob es einem gut tut danach zu leben.
Heute auf meinem Fahrrad wurde mir bewusst, dass ich mich fragen muss: Was tut mir gut? Was lässt mich lebendig sein? Wie komme ich in Bewegung? Und zwar jetzt gerade
und nicht irgendwann in der Zukunft, wenn ich wieder zu Hause bin, Feierabend habe oder in meinen nächsten Urlaub fahre.
Die Frage könnte auch anders lauten. Bei Teal Swan hörte ich einmal den inspirierenden Satz: Was würde jemand tun, der sich selbst zu 100% liebte?
Und ich glaube, dass das in unserer heutigen Zeit - mit Corona und dem ganzen Umgang damit - ein unglaubliche wichtiges Thema ist, sich wieder mit der eigene Wahrnehmung und Intuition zu verbinden. Im Wissen, dass das, was für mich Richtig und Gut ist, nicht das Selbe sein muss, wie für einen Anderen.
Kommentare